APEC oder „Obama kommt“

Das Treffen der Staatsoberhäupter aus dem asiatischen Raum (Asia-Pacific Economic Cooperation) hat zum Ziel, eine Freihandelszone zwischen den beteiligten Staaten oder einen möglichst unbehinderten Handel zu etablieren. Momentan nehmen 21 Staaten, die alle an den Pazifik grenzen, auch wenn sie geografisch gar nicht zu Asien gehören, wie z.B. Chile, Peru, die USA, Russland oder auch Kanada, an den jährlichen Treffen teil.

Für den Gastgeber China war das seit den Olympischen Spielen mal wieder eine Gelegenheit sich weltmännisch zu präsentieren, und entsprechend umfangreich waren die Vorbereitungen bzw. die Durchführung für die 5 Tage dauernde Konferenz (7.-12. November). Und wir erlebten das live mit……und so etwas kann man wohl auch nur in China erleben:

Schon etwa 2 Wochen zuvor wurde begonnen, Ausfallstraßen, die nah am Wohnort der Staatsleute lagen, zu putzen, Absperrungen zum Radweg wurden getüncht, die Parkplatzwächter erhielten einen Sonnenschirm für ihren doch recht variablen Standort, der Straßenrand oder die sich dort befindlichen Bäume wurden geschmückt. Da unsere Schule fast direkt gegenüber vom Kempinski Hotel liegt, außerdem die amerikanische Botschaft um die Ecke liegt und sich weitere erstklassige Hotels in der Nähe befinden, waren wir mal wieder mittendrin im Geschehen. Und der Herr Obama hatte tatsächlich das unweit gelegene West Inn Hotel angemietet (das ganze Hotel) – somit wurde dann auch kurzerhand mal die ganze Kreuzung gesperrt, wenn er ankam oder wegfuhr; d.h. der Verkehr der insgesamt 6-spurigen Straße kam zum Erliegen. Allerdings gab es in der Woche nicht so viel Verkehr, denn der Strom auf den Straßen wurde in dieser Woche noch weiter reduziert: An normalen Tage dürfen 20% der zugelassenen Autos in Peking nicht fahren. Das wird über die Endnummer des Kennzeichens geregelt; jeden Tag sind zwei Nummern gesperrt. Dass man trotzdem oft nur Schritttempo fahren kann und die Ausfallstraßen verstopft sind, liegt einfach an der unglaublichen Menge an Karossen. Und obwohl es auch bei der Autozulassung Beschränkungen gibt – jeden Monat wird nur eine bestimmt Anzahl an Zulassungen verlost – ist sind die Straßen hoffnungslos überlastet. Sich ein Auto zu kaufen ist sowieso wahnsinnig teuer – aber an finanziellen Mitteln mangelt es in Peking schon lange nicht mehr. In der APEC-Woche waren aber nur 50% der Autos auf den Straßen; nur die geraden bzw. nur die ungeraden Nummern durften fahren. Also war es gar nicht schlimm, wenn der Verkehr dann mal zum Erliegen kam, wollte Herr Obama zum Konferenzgelände fahren.

Das Staatstreffen fand dann etwas außerhalb Pekings statt: Im Nordosten der Stadt wurde (nicht nur eigens für diese Veranstaltung, aber eben auch dafür) ein neues Hotel am See gebaut, das zu einem Großprojekt zur Erschließung weiterer Naherholungsgebiete für Peking gehört. Stephan hatte im Vorfeld dieses Hotel entdeckt, denn dahin könnten wir auch mal ein Wochenende fahren, wenn wir der Großstadt mal entfliehen wollen…..erst später wurde klar, dass dieses das Konferenzhotel sein und zu diesem Zweck seine Tore erstmals öffnen würde. Mal sehen, wann es uns mal dorthin verschlagen wird.

Weitere Maßnahmen, die Peking in besonderem Glanz darstellen sollten, waren das Stilllegen etlicher Fabriken und die Zwangsbeurlaubung vieler Beamter, sodass die Stadt leerer erscheinen und die Luft sauber sein sollte. Außerdem wurden sämtliche Schulen geschlossen, um den Verkehr weiter zu entlasten. Tja, und davon waren auch sämtliche internationale Schulen betroffen: Unser Sekretariat erhielt einen Anruf vom chinesischen Bildungsministerium (nichts Schriftliches, aber deshalb nicht weniger Verbindliches), und somit war klar, dass unsere Schüler und auch Lehrer vom 7.11. – 11.11., welche wohl die Kerntage der Konferenz darstellten, schulfrei hatten. Leider müssen wir zwei der drei freien Tage nachholen, aber das nur am Rande.

Für viele unserer Schule reduzierten sich die schulfreien Tage auf die Tatsache, dass „Obama kommen würde“; sie wussten nicht weshalb oder wen er besuchen würde, vielleicht ja unsere Schule….auf jeden Fall war schulfrei!

Mir und meiner Schulleiterin kamen die freien Tagen auch gelegen, denn wir mussten dienstlich zum Schulleitertreffen unserer Region nach Taipeh fliegen und konnten etwas Freizeit dranhängen – sonst sehe ich, ehrlich gesagt, außer der Konferenzräume auch nicht so viel von der Stadt, in welcher die Tagung stattfindet. Dieses Mal war es anders: Almut und ich konnten einen Ausflug ans Meer zu einem Nationalpark unternehmen und eine kleine Wanderung machen. Nur fühlten wir uns bei Anblick dieses Containerschiffes

diesen Blick erwarteten wir nicht :-)

diesen Blick erwarteten wir nicht 🙂

eher an die Nordsee kurz vor Helgoland erinnert als an das Chinesische Meer.

skurrile Steinformationen im National Park

skurrile Steinformationen im National Park

schön.....am Meer

schön…..am Meer

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Außerdem konnten wir mit Muse die Altstadt erkunden. Wir erlebten eine ganz andere Nuance „China“; z.B. die von mir lang erwarteten, alten Apothekergeschäfte, wo der TCM aus tausend kleinen Schubladen die erforderliche Menge an unterschiedlichsten Arzneien hervorholt, abwiegt und dem Patienten verkauft. Dabei wirkt die Apotheke wie eine Schatztruhe, ist wohl sortiert für das geschulte Auge, und für uns Touristen einfach nur ein großes Geheimnis. Wir waren auch deshalb so angetan, weil diese Geschäfte eben keine Attraktion darstellen, sondern wohl seit Jahrzehnten zum Stadtbild gehören und die Einheimischen eben dort den ärztlichen Rat suchen und sich vertrauensvoll vom TCM untersuchen und beraten lassen. Ich staunte, als ich zum ersten Mal getrocknete Haifischflosse sah, die sündhaft teuer in dünn geschnittenen Scheiben angeboten wird. Gleichzeitig verabscheute ich natürlich diesen Anblick, doch Tierschutz und nachhaltiger Umgang mit der Natur erscheinen den Chinesen, wie Taiwanesen eben wenig nah in Anbetracht der Heilkräfte, die diesen tierischen Produkten nachgesagt werden.

ein Apothekergeschäft, wie ich es habe schon immer sehen wollen

ein Apothekergeschäft, wie ich es habe schon immer sehen wollen

Erstaunlich, dass wir fast die einzigen Westler an diesem Nachmittag waren, die durch die Straßen streiften. Taiwan liegt wohl noch etwas abseits der Tourismuspfade – sehr angenehm. So hatte die APEC doch ihr Gutes!

Die Pekinger hatten natürlich auch ihre Annehmlichkeiten: geringe Luftverschmutzung, kaum Verkehr, herabgesetzte Eintrittsgelder, die zu Attraktionen rund um die Stadt lockten, Freizeit mit der Familie. Wer hier kritisch hinterfragte, weshalb dies nicht ständig möglich sein sollte, konnte schnell zynisch werden. Schließlich weiß die Regierung ob der Probleme der Stadt und der Bevölkerung und kann dies auf Knopfdruck (nach Gusto?) regulieren – der Macht des Regierungschefs präsentierte sich hier par Excellence.

Doch der Drang nach Konsum der Bevölkerung will ständig befriedigt werden. Das Wirtschaftswachstum hat schon kleine Einbrüche zu verzeichnen und muss weiter entwickelt werden – da muss Anderes noch hinten anstehen. Die Luft- und Umweltverschmutzung stehen da nicht vorn auf der Prioritätenlisten, und erwarten können wir „Westler“ dies auch nicht, war bei uns die Luft im Ruhrpott vor 50 Jahren auch noch unerträglich. Dass Entwicklung langsam voranschreitet, vergessen wir schnell und fordern eben zügigeres Umsetzen von dem, was wir erst selbst spät gelernt haben.

Und wer von Euch uns schon besucht hat, konnte selbst feststellen, dass es in Peking viele wunderbare Tage gibt, an denen die Luft dann eben auch kein Thema ist.

Und somit schließe ich meinen Blog für dieses Kalenderjahr. Es ist kurz vor Weihnachten, und Stephan und ich wünschen Euch allen schöne Tage mit Ruhe und Muße für die Dinge, die manchmal zu kurz kommen. So, wie ich mir wieder Zeit für meine Blog genommen habe. Wenn ich meine Liste von Beiträgen so anschaue, wundere ich mich selbst über die vielen Themen, die mich schon bewegt haben, und denke, dass es wohl nicht weniger werden. Irgendein Erlebnis wird mich wieder dazu verleiten, Euch auch daran teilhaben zu lassen – auch wenn es etwas dauert, bis ich alles aufschreibe. Und wer möchte, kann gern auf einen Besuch vorbei kommen und selbst in unsere chinesische Welt eintauchen.

Frohes Fest und einen gesunden Rutsch ins Neue Jahr wünschen wir Euch von Lanzarote – unserem Rückzugsort, wo wir mit Muße Radfahren 🙂

 

 

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