Begegnungen in Shanghai

Vor Ende April war ich dienstlich ganz allein in Shanghai unterwegs, war an der Deutschen Schule am Shanghai Eurocampus eingeladen und habe mich dort mit der neuen Prozessbegleitung Ostasiens getroffen, um ihr meinen Job zur regionalen Fortbildung zu übergeben. Es war in diesem Jahr definitiv meine letzte Dienstreise – nach so vielen in diesem Jahr, die ich alle sehr genossen habe.

Stephan blieb in Beijing, wollte sich um ein paar Angelegenheiten der Ostasienspiele kümmern, die wir für Anfang Juni an unserer Schule organisieren (siehe Schulhomepage: www.dspeking.net.cn), und somit war ich – nach den Gesprächen am Eurocampus – auch mal wieder ganz allein und ganz chinesisch unterwegs. Es sollte ein Samstag nachmittag mit verschiedenen Begegnungen werden.

Mit Absicht spazierte ich in ein chinesisches Viertel, wollte Luft schnappen und geruhsam unterwegs sein, um die schulischen Gedanken los zu werden, und da die Luft diesig war, zog es mich auch gar nicht zum Bund, wo die glitzernden Hochhäuser Shanghais zu sehen sind. Ich wollte lieber mal wieder schauen, wie das Leben auf der Strasse sich so zutrug….ob es nicht etwas zu entdecken oder zu beobachten gab. Gleichzeitig hatte ich mir vorgenommen, meine Sprachkenntnisse auszuprobieren – wann sonst hab ich denn die Chance mal Chinesisch zu sprechen? Meist beschränkt sich meine Konversation auf meinen wöchentlichen Chinesischunterricht, den ich sehr genieße, aber die praktische Anwendung außerhalb dieser 90min fehlt einfach.

Also, tippelte ich zunächst in Richtung U-Bahnstation in der Nähe, wollte mich erkundigen, wie ich am folgenden Tag zum Flughafen kommen sollte, wie lange ich unterwegs sein würde, und außerdem wollte ich wissen, wie viel Geld noch auf meiner wieder aufladbaren Karte war, um vor dem Abflug nicht noch in Nöte zu kommen.

Nach einem Spaziergang lief ich die Treppen zum U-Bahnhof hinab und sah mich sogleich mit mehreren Maschinen konfrontiert, die unterschiedliche Aufgaben erfüllen: Verkaufsmaschinen für Tickets und Geldwechselmaschinen, aber keine, die den Wert meiner Karte ablesen und weiteres Geld zum Wiederaufladen entgegen nehmen konnte. Also nahm ich mich erstmal dem U-Bahnplan an, um die Strecke auszukundschaften. Dass ich bereits an der richtigen Bahnlinie zum Flughafen war, wusste ich, doch unklar war mir, wie viele Stationen ich wohl noch fahren müsste. Lesen konnte ich den Plan leider nicht – alles auf Chinesisch…..nein, doch nicht. Aber die lateinischen Buchstaben waren komplett ausgeblichen, was so gut, wie denselben Effekt hatte: Ich konnte nix lesen! Also sprach ich eine Frau an, die mich auch sofort verstand, mir den Plan erläuterte und dann sogar ihren Bahnplan auf dem handy konsultierte, den ich auch lesen konnte – toll!  Ich blieb noch einen Moment, um meinen neuen Infos auf dem chinesischen Plan nach zu vollziehen und konnte mir dann auch ein paar Zeichen zusammenreimen. Das sollte kein Problem sein: 6 Stationen, ca. 30min Fahrzeit bis zum Flughafen.

Dann sprach ich ein junges (?) Mädchen/junge Frau an, um sie nach einem Automaten zu fragen, der mir Auskunft über den Wert auf meiner elektronischen Fahrkarte nennen konnte, aber sie schien mich nicht zu hören….ich sprach ein wenig lauter….nichts….ich tippte sie an die Schulter….sie wandte sich mir nicht zu, ging eher einen Schritt weiter. Ich war ganz verwundert, denn sie trug keine Ohrstöpsel, hörte also keine Musik. Die musste mich doch hören: Ich sprach lauter und bat erneut um Verzeihung und tippte sie abermals an die Schulter…….da dreht sie sich ab und lief schnellen Schrittes weg…….Das war mir nun wirklich noch nie passiert; sie hatte mich einfach stehen lassen, wahrscheinlich aus Angst Ausländisch/Englisch mit mir reden zu müssen. Jedenfalls blieb ich ziemlich verdattert stehen, blickte auf und sah, wie eine Angestellte, die den Scanner beim Zugang zu den Gleisen kontrollierte (da muss man seine Handtaschen durchleuchten lassen, bevor man die U-Bahn benützt), mich zu sich heran winkte. Sie fragte, ob SIE mir helfen könne….da wiederum war ich ganz perplex; wahrscheinlich hatte sie mit angesehen, wie wenig Resonanz auf meine Bemühungen erfolgt war, und sie schickte mich einfach eine Treppe hinab, wo ich das richtige Gerät fand und feststellte, dass ich noch genügend Geld für all meine geplanten Fahrten auf dem Ticket hatte. Hat also auch geklappt!

Ich wollte meinen Spaziergang dann wieder an der frischen Luft fortsetzen und verfranzte mich schon nach der ersten Abbiegung…..das sollte mir jedoch erst viel später auffallen. War aber auch kein Beinbruch, ich hatte schließlich Zeit und konnte auch auf einem Umweg zum Tempel kommen, den ich mir mitten der Stadt, zwischen all den schicken Malls anschauen wollte. Allerdings kam ich doch recht weit von der Strecke ab, sodass ich doch auf die Bahn umstieg, um 2 Stationen zu fahren. Völlig abgelenkt, oder auch völlig müde, wie ich war, stieg ich aber schon an der nächsten Station aus und fragte nach dem Weg – allerdings war ich in der Annahme, dass ich korrekt ausgestiegen war. Der erste chinesische Helfer ließ mich auflaufen und raunzte mir im Vorbeigehen eine absurd falsche Antwort entgegen, sodass ich ihm sogar hinterher rief, dass sein Antwort die falsche war. Wie gern hätte ich chinesisch geflucht, aber meine Chinesischlehrerin bringt mir niemals Schimpfwörter bei: Sehr schade!

Zwei Männer wiederum waren hilfsbereit und so geduldig mir zu erklären, dass ich eine Station zu früh ausgestiegen war…..und ich hab alles verstanden, was sie mir sagten: Großartig! Ich flitzte wieder die Treppe hinab und nahm die nächste Bahn, um eben noch jene eine Station weiter zu fahren, lief zum Tempel und betrachtete aus der Ferne die geschwungenen Dächer, die so typisch chinesisch sind, neben all den glitzernden Hochhäusern der Haupteinkaufszone Shanghais. Das sind wirklich immer wieder Momente der absoluten Gegensätze, derer ich mich immer wieder erfreuen kann oder über die ich schmunzeln oder staunen muss. Das ist China heute: Ein kontrastreicheres Land kann ich mir kaum vorstellen.

Fazit dieses Tages war aber für mich ganz persönlich, dass ich inzwischen doch ein bisschen mehr als nur ein paar Brocken sprechen kann. Dass ich fast von einem Sprachgefühl sprechen kann, dass mich nun ab und zu mal überkommt und ich dann mit stolzgeschwellter Brust aus der Situation gehe und mich einfach daran freuen kann, etwas verstanden zu haben oder mich mitgeteilt zu haben. Schade nur, dass diese Momente so selten sind. Schade, dass die vielen tausend Schriftzeichen immer noch ein Buch mit 7 Siegeln sind….und leider ist es auch ein Fakt, dass ich die nicht mehr alle werde lernen können. Doch….und das ist hiermit ein halb-öffentliches Versprechen, werde ich im nächsten Schuljahr nochmals versuchen, die 600 Zeichen für die HSK-Stufe 3 zu lernen (das ist ein anerkanntes Sprachenzertifikat). Uiuiui……mal sehen, ob ich das wirklich packe. Das haben schon einige Kollegen geschafft, also ist das durchaus machbar. Ist nur eine Frage des Willens….

Nächste Woche habe ich auch wieder Chinesischunterricht: Denkt mal dienstags an mich, wenn ich von 18-19.30h mit meiner „lao shi“ (gesprochen:Lau-sche) spreche. Ich werde ihr eine Dokumentation von N3 zeigen; dort gab es vor kurzem eine Reportage über chinesische Touristen in Deutschland, und wie sich ihre chinesischen Reiseführer in D schulen lassen, um sie in nur 8 Tagen durch 5 Länder zu lotsen bzw. beim Shopping zu unterstützen. Wird ihr sicher Spaß machen – ich werde übersetzen und sie wird mich Löcher in den Bauch fragen 🙂

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APEC oder „Obama kommt“

Das Treffen der Staatsoberhäupter aus dem asiatischen Raum (Asia-Pacific Economic Cooperation) hat zum Ziel, eine Freihandelszone zwischen den beteiligten Staaten oder einen möglichst unbehinderten Handel zu etablieren. Momentan nehmen 21 Staaten, die alle an den Pazifik grenzen, auch wenn sie geografisch gar nicht zu Asien gehören, wie z.B. Chile, Peru, die USA, Russland oder auch Kanada, an den jährlichen Treffen teil.

Für den Gastgeber China war das seit den Olympischen Spielen mal wieder eine Gelegenheit sich weltmännisch zu präsentieren, und entsprechend umfangreich waren die Vorbereitungen bzw. die Durchführung für die 5 Tage dauernde Konferenz (7.-12. November). Und wir erlebten das live mit……und so etwas kann man wohl auch nur in China erleben:

Schon etwa 2 Wochen zuvor wurde begonnen, Ausfallstraßen, die nah am Wohnort der Staatsleute lagen, zu putzen, Absperrungen zum Radweg wurden getüncht, die Parkplatzwächter erhielten einen Sonnenschirm für ihren doch recht variablen Standort, der Straßenrand oder die sich dort befindlichen Bäume wurden geschmückt. Da unsere Schule fast direkt gegenüber vom Kempinski Hotel liegt, außerdem die amerikanische Botschaft um die Ecke liegt und sich weitere erstklassige Hotels in der Nähe befinden, waren wir mal wieder mittendrin im Geschehen. Und der Herr Obama hatte tatsächlich das unweit gelegene West Inn Hotel angemietet (das ganze Hotel) – somit wurde dann auch kurzerhand mal die ganze Kreuzung gesperrt, wenn er ankam oder wegfuhr; d.h. der Verkehr der insgesamt 6-spurigen Straße kam zum Erliegen. Allerdings gab es in der Woche nicht so viel Verkehr, denn der Strom auf den Straßen wurde in dieser Woche noch weiter reduziert: An normalen Tage dürfen 20% der zugelassenen Autos in Peking nicht fahren. Das wird über die Endnummer des Kennzeichens geregelt; jeden Tag sind zwei Nummern gesperrt. Dass man trotzdem oft nur Schritttempo fahren kann und die Ausfallstraßen verstopft sind, liegt einfach an der unglaublichen Menge an Karossen. Und obwohl es auch bei der Autozulassung Beschränkungen gibt – jeden Monat wird nur eine bestimmt Anzahl an Zulassungen verlost – ist sind die Straßen hoffnungslos überlastet. Sich ein Auto zu kaufen ist sowieso wahnsinnig teuer – aber an finanziellen Mitteln mangelt es in Peking schon lange nicht mehr. In der APEC-Woche waren aber nur 50% der Autos auf den Straßen; nur die geraden bzw. nur die ungeraden Nummern durften fahren. Also war es gar nicht schlimm, wenn der Verkehr dann mal zum Erliegen kam, wollte Herr Obama zum Konferenzgelände fahren.

Das Staatstreffen fand dann etwas außerhalb Pekings statt: Im Nordosten der Stadt wurde (nicht nur eigens für diese Veranstaltung, aber eben auch dafür) ein neues Hotel am See gebaut, das zu einem Großprojekt zur Erschließung weiterer Naherholungsgebiete für Peking gehört. Stephan hatte im Vorfeld dieses Hotel entdeckt, denn dahin könnten wir auch mal ein Wochenende fahren, wenn wir der Großstadt mal entfliehen wollen…..erst später wurde klar, dass dieses das Konferenzhotel sein und zu diesem Zweck seine Tore erstmals öffnen würde. Mal sehen, wann es uns mal dorthin verschlagen wird.

Weitere Maßnahmen, die Peking in besonderem Glanz darstellen sollten, waren das Stilllegen etlicher Fabriken und die Zwangsbeurlaubung vieler Beamter, sodass die Stadt leerer erscheinen und die Luft sauber sein sollte. Außerdem wurden sämtliche Schulen geschlossen, um den Verkehr weiter zu entlasten. Tja, und davon waren auch sämtliche internationale Schulen betroffen: Unser Sekretariat erhielt einen Anruf vom chinesischen Bildungsministerium (nichts Schriftliches, aber deshalb nicht weniger Verbindliches), und somit war klar, dass unsere Schüler und auch Lehrer vom 7.11. – 11.11., welche wohl die Kerntage der Konferenz darstellten, schulfrei hatten. Leider müssen wir zwei der drei freien Tage nachholen, aber das nur am Rande.

Für viele unserer Schule reduzierten sich die schulfreien Tage auf die Tatsache, dass „Obama kommen würde“; sie wussten nicht weshalb oder wen er besuchen würde, vielleicht ja unsere Schule….auf jeden Fall war schulfrei!

Mir und meiner Schulleiterin kamen die freien Tagen auch gelegen, denn wir mussten dienstlich zum Schulleitertreffen unserer Region nach Taipeh fliegen und konnten etwas Freizeit dranhängen – sonst sehe ich, ehrlich gesagt, außer der Konferenzräume auch nicht so viel von der Stadt, in welcher die Tagung stattfindet. Dieses Mal war es anders: Almut und ich konnten einen Ausflug ans Meer zu einem Nationalpark unternehmen und eine kleine Wanderung machen. Nur fühlten wir uns bei Anblick dieses Containerschiffes

diesen Blick erwarteten wir nicht :-)

diesen Blick erwarteten wir nicht 🙂

eher an die Nordsee kurz vor Helgoland erinnert als an das Chinesische Meer.

skurrile Steinformationen im National Park

skurrile Steinformationen im National Park

schön.....am Meer

schön…..am Meer

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Außerdem konnten wir mit Muse die Altstadt erkunden. Wir erlebten eine ganz andere Nuance „China“; z.B. die von mir lang erwarteten, alten Apothekergeschäfte, wo der TCM aus tausend kleinen Schubladen die erforderliche Menge an unterschiedlichsten Arzneien hervorholt, abwiegt und dem Patienten verkauft. Dabei wirkt die Apotheke wie eine Schatztruhe, ist wohl sortiert für das geschulte Auge, und für uns Touristen einfach nur ein großes Geheimnis. Wir waren auch deshalb so angetan, weil diese Geschäfte eben keine Attraktion darstellen, sondern wohl seit Jahrzehnten zum Stadtbild gehören und die Einheimischen eben dort den ärztlichen Rat suchen und sich vertrauensvoll vom TCM untersuchen und beraten lassen. Ich staunte, als ich zum ersten Mal getrocknete Haifischflosse sah, die sündhaft teuer in dünn geschnittenen Scheiben angeboten wird. Gleichzeitig verabscheute ich natürlich diesen Anblick, doch Tierschutz und nachhaltiger Umgang mit der Natur erscheinen den Chinesen, wie Taiwanesen eben wenig nah in Anbetracht der Heilkräfte, die diesen tierischen Produkten nachgesagt werden.

ein Apothekergeschäft, wie ich es habe schon immer sehen wollen

ein Apothekergeschäft, wie ich es habe schon immer sehen wollen

Erstaunlich, dass wir fast die einzigen Westler an diesem Nachmittag waren, die durch die Straßen streiften. Taiwan liegt wohl noch etwas abseits der Tourismuspfade – sehr angenehm. So hatte die APEC doch ihr Gutes!

Die Pekinger hatten natürlich auch ihre Annehmlichkeiten: geringe Luftverschmutzung, kaum Verkehr, herabgesetzte Eintrittsgelder, die zu Attraktionen rund um die Stadt lockten, Freizeit mit der Familie. Wer hier kritisch hinterfragte, weshalb dies nicht ständig möglich sein sollte, konnte schnell zynisch werden. Schließlich weiß die Regierung ob der Probleme der Stadt und der Bevölkerung und kann dies auf Knopfdruck (nach Gusto?) regulieren – der Macht des Regierungschefs präsentierte sich hier par Excellence.

Doch der Drang nach Konsum der Bevölkerung will ständig befriedigt werden. Das Wirtschaftswachstum hat schon kleine Einbrüche zu verzeichnen und muss weiter entwickelt werden – da muss Anderes noch hinten anstehen. Die Luft- und Umweltverschmutzung stehen da nicht vorn auf der Prioritätenlisten, und erwarten können wir „Westler“ dies auch nicht, war bei uns die Luft im Ruhrpott vor 50 Jahren auch noch unerträglich. Dass Entwicklung langsam voranschreitet, vergessen wir schnell und fordern eben zügigeres Umsetzen von dem, was wir erst selbst spät gelernt haben.

Und wer von Euch uns schon besucht hat, konnte selbst feststellen, dass es in Peking viele wunderbare Tage gibt, an denen die Luft dann eben auch kein Thema ist.

Und somit schließe ich meinen Blog für dieses Kalenderjahr. Es ist kurz vor Weihnachten, und Stephan und ich wünschen Euch allen schöne Tage mit Ruhe und Muße für die Dinge, die manchmal zu kurz kommen. So, wie ich mir wieder Zeit für meine Blog genommen habe. Wenn ich meine Liste von Beiträgen so anschaue, wundere ich mich selbst über die vielen Themen, die mich schon bewegt haben, und denke, dass es wohl nicht weniger werden. Irgendein Erlebnis wird mich wieder dazu verleiten, Euch auch daran teilhaben zu lassen – auch wenn es etwas dauert, bis ich alles aufschreibe. Und wer möchte, kann gern auf einen Besuch vorbei kommen und selbst in unsere chinesische Welt eintauchen.

Frohes Fest und einen gesunden Rutsch ins Neue Jahr wünschen wir Euch von Lanzarote – unserem Rückzugsort, wo wir mit Muße Radfahren 🙂

 

 

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Kung Fu (gesprochen: gungfu)

Manchmal bin ich ganz froh, dass ich selten sofort nach einem Ereignis, das mich in unserer Chinazeit beschäftigt, zum Schreiben komme. So habe ich Zeit die Eindrücke zu verarbeiten; ich kann mir Gedanken machen, wie ich davon erzählen kann. Trotzdem jagt mich das schlechte Gewissen, weil sich in meiner Gedankenschleife nicht nur weitere Themen sammeln, sondern weil ein paar begeisterte Leser auf den nächsten Text warten.

Als Sportbegeisterte war es für mich irgendwie klar, dass ich ein bisschen – ein ganz bisschen wenigstens – in chinesische Sportarten eintauchen möchte. Und somit hatte ich mich schon im Vorfeld auf diese Studienfahrt gefreut, da ich mir erhofft hatte, Einblicke in eine Kung Fu-Schule zu erhalten, die einem Reisendenden sonst vorenthalten werden – außer man bucht sich für eine Zeit als Teilnehmer ein. Dies ist seit mehreren Jahren möglich, und ich hatte diese Variante der Unterkunft auch für meine Schüler in Erwägung gezogen, doch schnell davon Abstand genommen, weil erforderliche Tugenden (siehe unten) nicht in einer von der Lehrerin ausgesuchten Fahrt von allen erwartet werden kann. Dass ich mit den beiden 11. Klassen und meinem neuen Kollegen ein beeindruckendes Erlebnis in Dongfeng, Region Henan – unweit des Shaolin Klosters/Tempels – hatte, ist der Tatsache geschuldet, dass wir mehrere Stunden Unterricht an einer Kung Fu-Schule genießen durften, die unserem Hotel gegenüber lag. Somit hatten wir täglich ungeahnte Einblicke in den Tagesablauf der Schüler und deren Kunstfertigkeit.

Als knappes Hintergrundwissen muss Folgendes zunächst genügen: Kung Fu gilt als die älteste Kampfkunst Chinas. Viele andere Abarten, Erweiterungen, Varianten, die in China in ihrer Gesamtheit Wu Shu heißen, sind daraus hervorgegangen. Vor über 1500 Jahren im Shaolinkloster von Mönchen entwickelt, bedeutet es auch heute noch übersetzt „harte Arbeit“, und man kann daraus ableiten, dass nur der Ausdauernde, der Willige, der Disziplinierte, der sich Mühende und der Kraft investierende Schüler dem Anspruch der Sportart genügen kann. Es gibt kein ausgesprochenes Ziel, das es zu erringen gilt, wie einen Dan oder besonderen farbigen Gürtel, wie im Karate oder Judo; Kung Fu zu betreiben bedeutet, sich stetig verbessern zu wollen, seine Kunst zu vervollkommnen. Hinzu kommt eine spirituelle Dimension, die für mich in den Kung Fu-Schülern, die ich auf der Studienfahrt im September kennengelernt habe, in einer nach außen strahlenden inneren Ruhe manifestiert haben.

Das Shaolinkloster gilt als Wiege des Kung Fu und viele, viele Schulen haben sich dort im Laufe der Zeit angesiedelt. Als das Kloster zum Anziehungspunkt des Tourismus in den 1980er Jahren ausgebaut wurde, wurden die Schulen in die nahgelegene Stadt Dongfeng zwangsumgesiedelt. Die kleinste Schule bietet 3000 Schülern Platz, die größte Schule hat über 30.000 Eleven. Allen gemeinsam ist das Internatssystem; die Kinder können etwa ab dem 5. Lebensjahr dort eingeschult werden und sehen ihre eigenen Eltern fortan nur noch ein Mal im Jahr, wenn die Schulen im Winter für ca. 1 Monat schließen. Die Kinder bleiben bis sie etwa 17 oder 18 Jahre alt sind, ihren Schulabschluss machen, um anschließend selbst Kung Fu-Lehrer zu werden, in die Filmbranche zu gehen oder in Kung Fu-Theatern der großen Städte (oder weltweit) ihre Künste zu zeigen. Angeblich sind die Aussichten beruflich tätig zu sein nicht schlecht, wenngleich die Konkurrenz in China immer sehr groß ist. Die von uns besuchte Schule hatte etwas 7.000 Schüler, die im wechselnden Schichtsystem vormittags Unterricht und nachmittags Kung Fu-Unterricht hatten.

 

Der Tag beginnt bereits vor 6h…..denn um Punkt 6 Uhr konnte ich von meinem Hotelzimmer aus die trainierenden Gruppen bei der morgendlichen Fitnessstunde beobachten, d.h ich wurde von ihren militärisch klingenden Exerzierrufen geweckt. Ein Blick aus dem Fenster und ich sah Horden in militärischem Gleichschritt die Hauptstraße entlang joggen; andere nutzten den freien, unbebauten Platz hinter dem Hotel für Sprint-, Liegestütz- und Entengangübungen, die von einem Lehrer angeleitet wurden.

Blick aus meinem Hotelfenster morgens um 6h

Blick aus meinem Hotelfenster morgens um 6h

Um etwa 7h ging es wohl zum Frühstück und in den folgenden Unterricht. Wir durften um 10h zum Unterricht erscheinen, wurden am Tor abgeholt und über das Gelände geleitet: Überall waren Gruppen von etwa 15-20 Schülern – auch altersgemischt – zu sehen, die unterschiedlichste Aufgaben mit und ohne Sportgerät absolvierten.

Wir wurden in eine Turnhalle im 3. Stock geführt, die mit einem etwas heruntergekommenen Teppich und einer richtigen Turnfläche zweckmäßig ausgestattet war. Jeweils zwei Einheiten zu etwas 2h lagen vor uns. Unser Reiseführer war mit von der Partie, um beim Übersetzen zu helfen, aber einige unserer Schüler sprechen ja selbst fließend Chinesisch, sodass wir bald ganz Ohr waren, als die beiden etwa 18-jährigen Schüler, die uns als Lehrer zugeteilt waren, uns mit den ersten Übungen vertraut machten.

Zunächst ging es um einen Einblick in die spirituelle Dimension, das zur Ruhe kommen, mit dem Körper Eins werden, sich konzentrieren, den Körper spüren. Gut, dass sich alle darauf einließen. Der Gruppe tat es unheimlich gut, zumal wir uns gerade zuvor von zwei Schülern frühzeitig verabschieden mussten, und alle ein wenig in Aufruhr waren – aber so konnte jeder sein Unruhe oder Ärger ableiten. Und tatsächlich die Schüler waren aufmerksam in den nächsten Stunden bei allen Bewegungsablaufen, Schritt- und zeitgleichen Armbewegungen dabei.

Unsere Lehrer waren schon ein wenig nachsichtig mit uns, aber sie korrigierten mehrfach und waren erst nach dem xten Übungsdurchgang mit uns zufrieden. Ich war beeindruckt, dass sie keine Berührungsängste hatten, sich auf uns einließen und uns ganz zugewandt, aber bestimmt verbesserten. Die korrekt, exakte Bewegungsausführung stand eindeutig im Vordergrund! Erst zum Ende der ersten Trainingseinheit machte sich der Wunsch nach mehr schnellkräftigen Übungen breit, und wir hatten den Eindruck, dass wir unsere Wünsche ruhig äußern konnten.

Am Nachmittag zeigten uns zwei andere Junglehrer, wie wir eine kurze Sequenz von Tritten bzw. Schlägen, die in einer bestimmten Abfolge aneinandergereiht wurden, ausführen konnten, und das sah sogar kampfgefährlich aus – besonders meine 17-jährigen Jungs waren von ihrem nur wenige Jahre älteren Lehrer begeistert und ließen sich gern korrigieren.

Zu unserem Gesamterlebnis hat beigetragen, dass die Schule es sich nicht nehmen ließ, auch eine Auswahl ihrer wohl besten Schüler direkt neben uns auf der Turnfläche trainieren zu lassen. Somit bekamen wir einen Einblick, wie gewandt, ausdauernd und präzise bereits junge Schüler von etwa 10, 11 Jahren ihre Übungen ausführen konnten. Die Gruppe war altersgemischt, sodass deutlich wurde, welches Niveau die besten wohl erreichen können. In unseren kleinen Pausen wollten wir nur noch zuschauen, was die Trainingsgruppe so „drauf hat“. Unsere Schüler und auch wir waren beeindruckt – aber dahinter stecken eben auch eine Menge Drill, Disziplin und Entbehrungen, die sicher keiner von uns aufbringen kann oder will.

die Vorzeigeschüler im Gleichschritt - beeindruckend

die Vorzeigeschüler im Gleichschritt – beeindruckend

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unser Übungsleiter – 18 Jahre alt

 

Der spätere Schulrundgang mit dem Direktor war wenig mehr als ein Rundgang über den Hof, wo sicherlich ein paar Hundert Schüler trainierten, aber wir konnten leider keinen Blick in das Innere der Schule erhaschen – war sicherlich nicht erwünscht. Aber das war dann auch nicht mehr wichtig; wir konnten uns gut vorstellen, dass enge Schlaf- und Lehrräume, wenig Platz für Persönlichkeitssphäre bieten, dass Lehrer und Schüler viele Stunden täglich miteinander verbringen, was spannungsreich aber auch vertrauensfördernd sein kann.

Wir staunten, kritisierten nicht, sondern waren einfach gefangen von diesen Momenten.

Training im Hof

Training im Hof

Training im Gleichklang

möglichst präzise von Kleinauf

einer der Jüngsten

einer der Jüngsten

auch ein paar Mädchen besuchen die Schule

auch ein paar Mädchen besuchen die Schule

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Triathlon und Essstäbchen

Begonnen hatte unser Chinaaufenthalt 2011 mit einem sportlichen Highlight. Sicher erinnert Ihr Euch alle, wie wir der Weltmeisterschaft entgegengefiebert haben. Nach dem ersten Einleben in Peking, den ersten 3 Wochen Unterricht mit all den Vorbereitungen auf Klassenfahrten usw. war das ein ganz schöner Kraftakt, auch noch ein bisschen Training einzuflechten, aber umso schöner war dann das Erlebnis damals.
Im folgenden Jahr wurde dann erstmals ein internationaler Triathlon ausgerichtet, an dem etwa 250 Sportler – vornehmlich Ausländer – teilgenommen haben. Stephan wurde damals von ein paar Kollegen begleitet, die als Zuschauer schon Schwierigkeiten hatten, überhaupt auf das Wettkampfgelände zu kommen, um die Athleten zu sehen und zu beklatschen. Alles war hermetisch abgesperrt……die Organisatoren übervorsichtig, aber der Wettkampf war natürlich, ganz nach chinesischer Art perfekt organisiert. Die Profis dienten als Zugpferde, und Stephan konnte sogar ein bisschen mit dem australischen Profi Macca (Chris McCormack) klönen.
Letztes Jahr gab es schon deutlich mehr Teilnehmer, viel mehr Chinesen, und wir konnten sogar ein paar Kollegen überreden eine Staffel zu stellen.
Dieses Jahr wurde der Wettkampf in ein anderes Areal verlegt; doch „Fengtai“ im Westen Pekings blieb veranstaltender Stadtteil. Der riesige Expo-Park, der letztes Jahr zur Gartenausstellung angelegt worden war, diente nun als Austragungsort: der Fluss ist dort zum See aufgestaut, (die Entlein wurden zum Wettkampf eingepfercht), die Wege – oder sollte man eher sagen „Straßen“, sind weiträumig angelegt. In der Länge misst der Park sicher 5 km……welcher chinesischer Spaziergänger mag diese Strecke wohl bewältigen (?). Dass der Hochgeschwindigkeitszug auf einer Hochtrasse den Park überquert, tut dem Naherholungswert (dieses Wort gibt es übrigens im chinesischen Wortschatz nicht) keinen Abbruch.
Die Wechselzone wurde unter einer etwa 50m hohen Hochstraße – einer 8spurigen Autobahn am Ende des Parks – eingerichtet. Die Dimensionen waren wieder einmal gigantisch.

Der Himmel sorgt für ein bisschen Dramatik.

Der Himmel sorgt für ein bisschen Dramatik.

Die Teilnehmerzahl hat sich im Vergleich zum ersten Jahr verfünffacht: Am Sprint nahmen etwa 250 Sportler teil (ich auch), und an der olympischen Distanz fast 1000 Athleten. Auch unsere Teilnehmergruppe der DSP hatte sich erweitert: 2 Staffeln sind dieses Mal gestartet, und wir lieferten uns ein spannendes Rennen mit mehreren Führungswechseln. Tolle Stimmung, obwohl das Wetter mit viel Wind und morgendlicher Trübheit uns nicht so wohl ge“sonnen“ war.
Stephan und ich sind schon am Freitag gleich nach der Schule aufgebrochen, d.h. wir haben uns per „Bezahl-Fahrer“ zum Hotel am Expo-Garden Park fahren lassen. Obwohl die Straßen besonders im Westen der Stadt frei waren, dauerte die Tour 1h….so groß ist Peking. Manchmal vergessen wir das, denn der Radius, in dem wir uns im Alltag bewegen ist vielleicht 5 km im Durchmesser.
Kaum angekommen, fühlten wir uns wieder unter Sportlern: In der Hotellobby saßen oder standen gut trainierte Chinesen, überall standen Hochleistungsräder oder Radkoffer herum; vor dem Aufzug flitzte der australische Profi mit seiner Begleiterin an uns vorbei – im Raddress. Wir legten kurz in unserem schicken Zimmer ab und liefen zum angeschlossenen Konferenzzentrum, um unsere Startunterlagen abzuholen. Wie erwartet war alles prima organisiert……auch wenn Stephan in seinen Unterlagen die falsche Nummer vorfand, konnten wir das Problem umgehend klären, und die richtigen Inhalte wurden ihm ausgehändigt. Anschließend nahmen wir noch an der englischsprachigen Wettkampfbesprechung teil, die ein aufgeblasener Amerikaner abhielt; war aber ganz gut, denn die Streckenführung der Radstrecke hatte sich zum Vorjahr geändert. Allerdings war ich dann auf der Strecke dann doch etwas überrascht von einigen fiesen Steigungen….hatte wohl doch nicht so aufmerksam zugehört ☹
Für meinen kleinen Sprint-Wettkampf sollte erst am kommenden morgen um 6.30h eine Wettkampfbesprechung stattfinden. Danach wollten wir noch einen Blick auf das neue Gelände werfen und mussten schnell feststellen, dass das Gelände r i e s i g war. Ein paar verschlungene Wege mussten wir erst auskundschaften, um dann den direktesten Weg zur Wechselzone zu finden: sie war immerhin 2.5km vom Hotel entfernt!!!! Zum Willkommensdinner waren wir dann etwas zu spät, aber es war ein chinesisches Highlight – mehr dazu später, wenn ich von den Essstäbchen berichte!
Abends ging es früh ins Bett; schließlich musste ich früh raus, mein Rad noch in der Wechselzone abstellen und mich umziehen. Stephan zeigte sich ganz solidarisch, pilgerte mit und schoss die ersten Fotos von mir und unserem Pfarrer, der ebenfalls teilnahm!

Karl-Heinz und ich vor dem Start um 6.30h

Karl-Heinz und ich vor dem Start um 6.30h

In meiner Startgruppe der Frauen angekommen stach ich gleich ein bisschen hervor – meine pinkfarbene Badekappe riss beim Aufsetzen. Vielleicht war ich dann deshalb so schnell – als erste stieg ich aus dem Wasser. Allerdings war meine Schwimmzeit mäßig – doch wenn man bedenkt, dass einige Chinesen tatsächlich mit einer Boje an den Start gehen, damit sie sich unterwegs ausruhen können, kann man sich denken, dass ich alle überholt habe ☺

ich mit ohne Badekappe

ich mit ohne Badekappe

Radfahren war super, aber bei einem kleinen, gemeinen Anstieg kurz vor Ende der Radstrecke konnte ich einen Sturz nur verhindern, weil ich dann inzwischen doch ganz mit meinem Drahtesel verwachsen bin: Die Strecke führte direkt am Schilfrand des Sees vorbei, und die Kurve mit dem plötzlichen Anstieg war nicht einsehbar. 4-5 Chinesen konnten nicht rechtzeitig in einen leichteren Gang schalten und mussten absteigen – mitten auf der Strecke. So machen sie es ja auf der Straße auch. Ich konnte noch schalten, ausweichen und lauthals einen Chinesen vor mir auf die Seite treiben. Das war echt knapp!
Stephan erwischte mich dann gleich zu Beginn der Laufstrecke gehend an einem steilen Anstieg, den ich nicht sogleich bewältigen konnte. Aber bei meiner Ehre gepackt, fiel ich dann natürlich in den Laufschritt. Die etwa 5,5km waren zum Schluss ganz schön hart, so dass ich mich gern schnell ins Massagezelt begeben habe. Zunächst auf dem Stuhl, dann auf der Liege habe ich meine müden Beine kneten lassen und konnte mich dann schon sehr schnell über Stephans Nachricht freuen, dass ich die anderen 10 Damen aus meiner Altersklasse hinter mir gelassen hatte.

1. Platz - wow!

1. Platz – wow!

Am Nachmittag reisten unsere Kollegen an – also ging es noch mal gemeinsam auf das Wettkampfgelände. Alle wollten sich die Wechselzone und den Schwimmstart ansehen. Stephan und die Staffelradfahrer (ich sollte auch noch einmal auf dem Rad starten) mussten sowieso noch die Räder in die Wechselzone bringen. Es wurde gefachsimpelt, aber vor allem waren alle ein bisschen aufgeregt. Ein paar Tria-Neulinge hatten wir auch dabei. Wir beschlossen bald zum Carbo-Load-Dinner zu gehen, hatten aber wieder die 2.5km bis zum Hotel vor uns. Zum Glück kam ein kleiner shuttlebus vorbei, den wir einfach anhielten und enterten. Der chinesische Fahrer konnte sich uns gar nicht erwehren und somit fuhren wir ganz entspannt zum Hotel – die gesparte Kraft sollten wir noch benötigen.
Die logistische Leistung ca. 1000 hungrige Sportler zu beköstigen wurde leider wenig geschickt gelöst. Es bildeten sich lange Warteschlangen an drei Buffets, aber der Nachschub lahmte schnell. Bald wurden die armen Kellner, die mit Nudeln und Gemüse befüllte Nachschubwagen schoben, geradezu überfallen, sodass sie das Buffet gar nicht mehr erreichten. Das war ein ganz schönes Chaos! Zuletzt wollte sich aber niemand mehr von uns dieser Schlacht aussetzen; so peinlich wäre es gewesen. Der Veranstalter hatte sicher nicht damit gerechnet, dass viele Chinesen einfach ihre ganze Familie zum Essen mitgenommen hatten – folglich wurde gehamstert, dass sich die Tische bogen. Leider blieb auch viel liegen!

Der Wettkampfsonntag begann sehr früh und sehr trüb. Wir marschierten um ca. 5.15h in Richtung Wechselzone, wo wir uns mit unseren Staffelkollegen trafen und letzte Staffelstabübergaben durchzusprechen. Der Zeitchip würde als solcher fungieren, und wir verabredeten, wer wem den Chip abnimmt und/oder anlegt. Stephan war sauer, dass er als schneller Schwimmer in der letzten Startgruppe untergebracht war – er musste sich tatsächlich durch etliche Bojenschwimmer hindurchkämpfen und kam trotzdem mit einer ansehnlichen Schwimmzeit mit deutlichem Vorsprung vor unseren Staffelschwimmern in die Wechselzone und sprang aufs Rad. Ich durfte als nächste los, wurde aber von meinem Staffelkonkurrenten bei km 8 abgefangen. Die Radstrecke führte aus dem Park heraus in die angrenzenden Westberge und über etliche kleine, fiese Steigungen wieder zurück zum Expo-Park. Mit leichtem Muskelkater vom Vortag war ich trotzdem ganz fit, spürte bei den Anstiegen meine Oberschenkel, konnte aber auf der schnellen Schlussstrecke noch Tempo machen. Allerdings war ich froh nicht noch auf die Laufstrecke zu müssen; Stephan war schon voraus gelaufen und nahm die 240 Stufen zum Tempel in Angriff, als unsere Läufer noch am Fuße des Tempels liefen. Mein Staffelläufer konnte den Vorsprung des Radfahrers wettmachen und überholte unsere gegnerische Läuferin kurz vor dem Ziel…..das war doch ein spannendes Rennen bis zum Schluss. Kaum hatten alle kurz verschnauft, wurden schon Pläne für die Wettkämpfe im nächsten Jahr gemacht: Nach dem Wettkampf ist ja bekanntlich vor dem Wettkampf ☺
Stephan war mit seinem 7. Platz dann doch ganz zufrieden, und nächstes Jahr wollen wir dann beide wieder angreifen. Hat also wieder Spaß gemacht – wie schade, dass wir das nicht öfter haben können!

Stephan im Ziel!

Stephan im Ziel!

Chipübernahme nach meiner Radstrecke

Chipübernahme nach meiner Radstrecke

 wir DSP-Triathleten

wir DSP-Triathleten

 

 

 

 

 

 

Ein chinesisches Highlight möchte dich dann aber doch noch beschreiben:
Für Stephan und mich war es das Willkommensdinner am ersten Abend, das wir an einem Tisch mit Chinesen verbrachten, die aus dem nah gelegenen Tianjin (an der Küste) kamen. Die Gruppe älterer Herren, allesamt drahtig und gut trainiert, kümmerten sich liebevoll um uns „wai guo ren“ (Ausländer). Niemals zuvor hatte ich erlebt, dass sich jemand auf meine geringen Sprachkenntnisse einstellte und extrem langsam sprach. Sie fühlten sich als Gastgeber, drehten die Tischplatte zu uns, sobald neue Speisen gebracht wurden, und mehrfach mussten wir miteinander anstoßen; das bedeutete dann Aufstehen und sich im Stehen einander zuprosten oder anstoßen. Sie waren erstaunt, dass wir keinen Rotwein mit ihnen trinken wollten, schließlich seien die Deutschen doch für das Trinken bekannt. Da ich jedoch am folgenden Morgen am Sprinttriathlon teilnehmen wollte – ohne Kater – ließen sie es mir wohl durchgehen ☺

Umrahmt von Triathleten aus Tianjin

Umrahmt von Triathleten aus Tianjin

Und wir bekamen eine detaillierte Einführung in das korrekte Halten der Essstäbchen! Nachdem wir zunächst für unsere Fingerfertigkeit gelobt worden waren, nahm sich mein Tischnachbar viel Zeit, mir die noch bessere Technik zu zeigen. Erstaunlich war für mich, dass er auch seine eigenen Kumpels in die Vorführung mit einbezog, und diese auch von seiner Technik sichtlich beeindruckt waren. Wir übrigens auch! Er konnte unglaublich zielsicher und elegant die kleinsten Speisen aufnehmen, und prahlte aber auch ein bisschen mit der Beweglichkeit seines Zeige- und des Mittelfingers!
Gerade gestern habe ich erfahren, dass Chinesen das Essen mit den Stäbchen tatsächlich zelebrieren und sich auch übereinander lustig machen, wenn jemand eher bäuerlich und mit wenig Geschick die Stäbchen führt. Tischmanieren, wie das kräftige Rülpsen und Ausspucken von kleinen Knochen, die uns eher abstoßen, sind scheinbar das Eine, aber die Haltung der Essstäbchen scheint eine ganz andere Dimension zu haben als ich das bisher gedacht habe. Tatsächlich übe ich jetzt schon seit einer Woche die neue, feinere Haltung der Stäbchen und habe es schon auf eine kleine, ansehnliche Druckstelle an meinem Ringfinger gebracht ☺

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Der Tag, den es nicht gab….

hat mich mal wieder zum Nachdenken ueber das chinesische Regime gebracht. So im Alltag empfinden Stephan und ich, dass wir sehr unbehelligt von chinesischer Politik leben. Klar, vielleicht werden unsere Emails gelesen, unser skype abgehoert – aber vielleicht auch nicht; wir wissen es nicht. Skype funktioniert in China genauso gut wie bei uns, obwohl es auch ein chinesischen Dependant gibt. Facebook ist allerdings gesperrt – die Chinesen nutzen hier aber ihre eigene Variante. WhatsApp ist ebenso, wie in Europa, gaengiges Kommunikationsmittel.

Von der Unterdrueckung der Menschen, Einschraenkung ihrer (Grund-)Rechte erfahren wir meisst nichts, ausser es wird in internationalen Medien berichtet oder Kollegen, die mit Chinesen liiert sind, berichten, was gerade durch die chinesischen Medien geht. Es scheint offener mit politischem Unrecht umgegangen zu werden. Chinesen schreiben Blogs im Internet, veroeffentlichen ihre Meinung, setzen sich fuer sich und andere ein – es wird also laensgt nicht alles zensiert – wohl kaum moeglich, bei all den zur Verfuegung stehenden elektronischen Moeglichkeiten.

Mit dem Tag, den es nicht gab, meine ich das Gemetzel rund um den Platz des Himmlischen Friedens: Vom 3. Auf den 4. Juni 1989 folgte auf wochenlange, friedliche Studentenproteste fuer mehr demokratische Reformen, die auch mit Hungerstreiks unterstuetzt wurden, eine gewaltsame Niederschlagung durch das Militaer. Das Regime liess das Feuer auf die Studenten eroeffnen – dieses Jahr jaehrte sich das Massaker zum 25. Mal, und meine Chinsesichlehrerin sprach mich direkt darauf an.
Ich war sehr ueberrascht, dass sie ein so heikles Thema aufbrachte, denn bis heute ist es nicht erlaubt oeffentlich darueber zu sprechen. Menschen werden verhaftet oder unter Hausarrest gestellt, wenn sie Fragen beantwortet haben wollen. Das Regime hat einen Mantel des Schweigens ueber das Thema geworfen, nie darueber aufgekleart, sich nie bei Opfern entschuldigt – kurz – die Diskussion ist verboten!
Meine Lehrerin ist 30 Jahre alt, war also selbst noch ein Kind an jenem Tag, wohnte ausserdem in der Provinz, wo noch weniger Informationen ankamen, wie sie mir spaeter mitteilte.
Jedenfalls begann sie mich zu fragen, ob ich denn ueber den folgenden Tag (mein Unterricht fand direkt vor dem 25. Gedenktag statt) Bescheid wisse, und sie wollte wissen, was ich wusste. Ich kannte die Tatsachen und ein paar Hintergruende, hatte ein paar Bilder im Kopf, die ich auch sogleich bei spiegelonline (war nicht gesperrt!) abrufen konnte. Sie war erstaunt, dass ich Bilder kannte, denn in China kursiert nur wenig Fotomaterial. Sie nahm an, dass es kaum Bilder gab.
Sie erklarte mir, dass sie ihr groesstes Wissen zu dem Tag von den auslaendischen Studenten habe, die sie in der Uni unterrichtet. In der Schule ist das Massaker ein Tabuthema – selbst mit dem Wort „Massaker“ konnte sich nichts anfangen.
Sie hatte, genauso, wie Stephan und ich, von einer stillen Protestaktion gehoert, die ein Chinese verbreitete. Er forderte auf, am kommenden Tag „schwarz“ zu tragen – im Gedenken an die getoeteten Studenten. Das werde sie auf keinen Fall tun, deutete sie an. Sie habe Angst von der Polizei geschnappt zu werden. Mein Einwand, dass die Polizei sicher nicht gegen alle Menschen, die sich beteiligen wuerden, vorgehen koenne, da es ja zu viele seien, beruhigte sie nicht. Sie wuerde etwas besonders Buntes anziehen, allein, um sich zu schuetzen (die Chinesen tragen wirklich extrem Buntes und Gemustertes!). Ich trug „schwarz“ am folgenden Tag, sah aber auf den Strassen kaum enstprechend gekleidete Menschen. Es schien ein ganz normaler Tag zu sein – wenn man davon absah, dass seit 1-2 Wochen verstaerkte Polizei- und auch Militaerpraesenz in den Strassen unterwegs war. Der Platz des Hmmlischen Friedens war abgeriegelt; nur Touristen durften auf den Platz, auslaendische Reporter wurden z.T. polizeilich festgehalten, als sie vom Jahrestag berichten wollten. Die Chinesche Regierung versuchte mit aller Macht, ein Gedenken zu verhindern.
Meine Lehrerin berichtete mir, welche Massnahmen an den Universitaeten getroffen worden waren:
Bereits zwei Wochen vor dem Gedenktag kam die Anordnung zur Anwesenheitspflicht fuer alle Studenten. Scheinbar wird haeufiger geschwaenzt. Wir hatten schon erfahren, dass die junegen Leute sich wie wild auf den Uni-Aufnahmetest vorbereiten, aber wenn sie dann ein Mal an der Uni aufgenommen sind, bricht das suesse Nichts-Tun aus; viele nehmen sich Auszeiten.
Doch vor dem Gedenktag und natuerlich am Gedenktag selbst mussten alle Studenten in der Uni sein; die Lehrer und Professoren waren angehalten, jeder Fehlzeit akribisch nach zu gehen. Wer verdaechtig erscheint, wuerde zunaechst vom Unisekretariat angerufen oder auch von der Polizei aufgesucht: Studentenansammlungen sollten auf diese Weise verhindert werden. Meine Lehrerin stoehnte ueber volle Klassen – scheinbar war es wirklich unegwoehnlich dass alle ihre Schueler da waren.

Die deutschen Medien hingegen ueberschlugen sich geradezu mit Berichten. Ich las viel nach, und Stephan und ich sahen in den folgenden Tagen etliche Beitraege und Dokumentionen.
Eine davon, ein 45-minuetiger Beitrag auf 3Sat, war besonders interessant, weil es mehrere Originalaufnahmen gab, die den chinesischen O-Ton widergaben, ohne uebersetzt zu sein. Den wollte ich meiner Lehrerin in der Folgewoche zeigen, wenn sie ihn sehen wollte. Und so fieberte ich meinem Unterricht entgegen, denn ich war neugierig auf ihre Reaktion.
Tatsaechlich wollte sie die Doku sehen, nachdem sie kaum glauben konnte, dass in unserem Fernsehen so ausfuehrlich berichtet wurde. Wir sahen die Doku gemeinsam: ich versuchte zu erlaeutern, wo die Berichterstattung auf Deutsch lief. Nicht einfach, aber wir arbeiteten spaeter politisches Vokabular nach 😉
Sie kannte Namen der involvierten Politiker, hatte aber fast keine Bilder von den friedlichen Studenten gesehen, die ja sogar woodstock-aehnliche Konzerte auf dem Platz veranstalteten und westliche Frisuren trugen. Ich hatte den Eindruck , dass sie alle Informationen mit grossem Interesse aufgenommen hat. In ihrer Familie sei nie darueber gesprochen worden – ihre Eltern kannten auch nur das Propagandematerial, das im Fernsehen gezeigt worden war.
Ueber ihre Einschaetzung danach war ich ueberrascht: sie nannte die Studenten naiv; sie hatten sich doch ausrechnen koennen, dass das Regime nicht auf die Forderungen eingehen wuerde!
Innerlich war ich schockiert, hatte ich doch wenigstens etwas Kritik an der Vorgehensweise der Staatsfuerhung erwartet. Sicherlich haette nicht geschossen werden duerfen, urteilte sie, doch die Studenten haetten vorsichtiger vorgehen sollen.
Ich konnte ihr auch kaum die geforderten Inhalte der Studenten verdeutlichen: mehr Einflussnahme, demokratischere Strukturen – das sind fremde Begriffe, die fuer sie nicht mit Inhalt gefuellt sind.
Das heisst, dass die Obrighoerigkeit so tief verwurzelt ist, dass selbst eine junge, gebildete Generation keine anderen freigeistlichen Vorbilder hat. Und das obwohl der westliche Einfluss doch heute stark ist wie nie. Doch die Reflektion ueber diese Inhalte fehlt – sie wird weiterhin nicht gefoerdert. Und mir fehlen an der Stelle (chinesische) Worte; ich stelle fest, urteilen oder gar verurteilen steht mir aber nicht zu!

Hongkong fiel auch an diesem Tag eine Sonderrolle zu: Dort wurde mit Märschen und friedlichen Demos den Opfern gedacht; Hinterbliebene Eltern durften hier trauern! In China durften Mütter und Väter ermordeter Studenten an diesem Tag nicht zum Grab gehen.
Mütter haben sich inzwischen zu einem Verein zusammengeschlossen, der Aufklärung vom Staat erwartet und einfordert. Auf Blogs und Internetseiten zeigen sie sich mit Videobotschaften, wenden sich direkt an die Regierung – diese werden auf Umwegen nach Hongkong geschleust und von dort ins Netz gestellt. Der Widerstand und der Ruf nach Gerechtigkeit ist da und bewundernswert!

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随机存储器 ( suiji cunchuchi) = mehr Speicherplatz :-)

…ich bin in meinem Chinesischunterricht  noch nicht bei Computerausdrücken angekommen (bin aber dabei, meine ersten 600 Zeichen zu lernen….ächz), aber scheinbar war es unbedingt nötig den Speicher auf dieser Blog zu erhöhen. Wie Ihr alle sehen konntet, hat die Seite 3 Monate brach gelegen, weil nichts mehr ging: kein Update, Kein Hochladen…..ich hoffe, der Spuk ist nun vorbei!

Und wenn das Abitur vorbei ist (nur noch 3 Tage!) und ich mit meinen Schülern am Freitag angestoßen und am Samstag auf dem Ball gefeiert habe, werde ich die letzten Monate Revue passieren lassen. Dann gibt´s hier, an dieser Stelle endlich wieder etwas Neues!

Herzliche Grüße aus dem sommerlich heißen Beijing 🙂

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Chun Jie (Tschun Ji:e) – das chinesische Frühlingsfest (endlich mit Fotos)

Auch wenn es in diesem Winter noch nicht so eisige Temperaturen gab, wie wir sie schon erlebt haben, sind wir dennoch weit entfernt vom Frühling. Trotzdem läutet das chinesische Neujahr den Frühling ein. Der chinesische Kalender ist da sehr traditionell!

Die Reisewelle der Chinesen hat schon begonnen – meine Chinesischlehrerin ist bereits zu ihren Eltern gereist, die im Norden, in der Nähe von Harbin an der russischen Grenze wohnen. 4 Wochen muss ich nun auf meinen Unterricht verzichten, natürlich nicht ohne eine Hausaufgabe erhalten zu haben: Ich muss meine 300 Zeichen lernen und meine erste chinesische Lektüre lesen (Typ: Easy Reader oder auch Anfängerlektüre) – nur mit chinesischen Zeichen. Für ein Mini-Kapitel (1,5 Seiten im DIN-A6 Format) brauche ein 1,5h…. und habe am Ende doch noch nicht alles verstanden; ein müdes Lächeln liegt mir dann auf den Lippen, und ich kann mich nicht zwischen Gefühlen wie Frust und Stolz entscheiden. Trotzdem ist mein Ehrgeiz ein wenig angestachelt; irgendwann will ich diese Lernstufe HSK 3 schaffen. Das ist ein Sprachenzertifikat, das dann sicher meinen inneren Schweinehund befriedigt. Dazu muss ich etwa 800 Zeichen erkennen (nicht schreiben) können. Wie oft habe ich schon ein wohliges Seufzen ausgestoßen, in hohem Lob auf die lateinische Schrift mit ihren 26 Buchstaben!!!! – So, das war mein kleiner Exkurs in meine Welt des Chinesischlernens….

In unserer Schule, die etwa 530 Schüler und ca. 75 KollegInnen zählt, gibt es auch eine fast unüberschaubar, große Gruppe an chinesischem Personal: Die Busfahrer und „Bustanten“ (das sind Frauen, die die Fahrt begleiten, um auch die kleinsten richtig zu Hause abzuliefern), die Mensamitarbeiter, die GSN-Mitarbeiter (die die Reinigung- und Instandhaltungsarbeiten an der Schule übernehmen) und natürlich auch unsere Verwaltungsmitarbeiter, die z.T. chinesisch sind, aber auch hervorragend Deutsch sprechen können.

Und zum wichtigsten Fest des Jahres ist es üblich, dass alle gemeinsam feiern, die Schulleitung ein Lob ausspricht und auch jeder Bedienstete mit einem roten, mit Geld gefüllten Umschlag gewürdigt wird. Es wird ein Saal im Hotel angemietet (allein das Essen im Hotel ist für viele ein Fest für sich), man sitzt an runden Tischen zu etwa 10, isst und trinkt gemeinsam. So ist es unserer gemeinsamen Weihnachtsfeier noch sehr ähnlich.

wenig einladender, riesiger Saal; alle kommen nach vorn zum Fotografieren,wenn der Spaß beginnt!

wenig einladender, riesiger Saal; alle kommen nach vorn zum Fotografieren,wenn der Spaß beginnt!

Der große Unterschied besteht darin, dass dieses Fest und dessen Programmgestaltung allen am Herzen liegt. Jede Gruppe der Bediensteten leistet einen oder mehrere Beiträge oder besser Showeinlagen, die monatelang (ist wirklich wahr!) einstudiert werden. Stephan und ich erlebten es oft, dass wir spät aus der Schule heimfuhren und in der Garage der Schule einen tanzende Damengruppe antrafen, die sich eben zum Zweck des sportlichen Ausgleichs einfand, sondern eben die Showeinlage für das Fest probte. Es wurden Kostüme eigens für den Auftritt geschneidert und häufig eben nicht nur eine Vorführung eingeübt, sondern mehrere.

Hier eine Gesangs- und Tanzeinlage mit Choreographie von zarten Schirmchen!

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Neben diesen Programmpunkten, richtet die Schule zum Anlass des Festes eine Verlosung aus, und es werden Spiele zur Belustigung aller vorgeführt, deren Besetzung dann nach Aufforderung erfolgt. So muss die Schulleitung traditionell Bier aus dem Strohhalm um die Wette trinken, es gibt Luftballontanzen, eine Reise-nach-Jerusalem ö.ä.

Stephan und ich haben es genossen eingeladen gewesen zu sein. So haben wir ein ganz typisches, chinesisches Ritual erlebt, welches an Ausgelassenheit kaum zu überbieten ist: Es wird gelacht, sich übereinander lustig gemacht, die Spiele werden mit einer Mischung aus ernsthaftem Sportsgeist und kindlichem Spieltrieb gespielt. Unsere Weihnachtsfeiern sind dagegen dröge, spießig und gähnend langweilig. Hier wurden  Fächertanz, Gesang und ein indischer Bauchtanz unter Federführung des chinesischen Hausmeisters mit Liebe zum Detail vorbereitet – gleichzeitig haben sich die Männer selbst so durch den Kakao gezogen, dass uns Zuschauern vor Lachen die Luft wegblieb.

Fächertaz fast in in Vollendung

Fächertanz fast in in Vollendung

Herr Pan, unser Hausmeister

Herr Pan, unser Hausmeister

die Hauswirtschaftsmänner im indischen Kostüm

die Hauswirtschaftsmänner im indischen Kostüm

Wir waren überrascht von diesem kindlichen Zauber und überschäumender Ausgelassenheit, sogar von Regimekritik, die sich in einem Sketch zur Einkindpolitik äußerte und der Lust am Darstellen.

sogar ein sozialkritisches Theaterstückchen - damit hatten wir kaum gerechnet

sogar ein sozialkritisches Theaterstückchen – damit hatten wir kaum gerechnet

Nach etwa 3 Stunden war die Feier beendet – nämlich dann, als alle ihren Obulus im roten Geschenkbriefchen persönlich vom Verwaltungsleiter erhalten hatten, nicht ohne ihm auch zuzuprosten. Denn auch das chinesische Neujahr wird natürlich begossen. Man stieß an jedem Tisch zum neuen Jahr miteinander an oder wurde zu weiterem Trinken an andere Tische eingeladen. Der Verwaltungsleiter, als Chef von dem Ganzen, musste von Tisch zu Tisch und innerhalb einer ½ Stunde  hatte er 2 Flaschen Wein geleert, welches auch das erklärte Ziel des Abends war: Der Chef sollte betrunken sein! Allerdings wurde auch im Vorfeld dafür gesorgt, dass es ihm im Falle von Unwohlsein an nichts fehlen sollte. Der Chef vom Busteam hätte ihn dann nach Hause begleitet – sehr fürsorglich!

unser Verwaltungsleiter beim Zuprosten

unser Verwaltungsleiter beim Zuprosten

Wir haben den Abend sehr genossen und sind froh als Verwaltungsleute an der Schule (Stephan ist Stundenplaner) diesen Einblick in chinesische Feierlichkeiten bekommen zu haben. Johannes (Verwaltungsleiter) hat uns bereits für das nächste Jahr eingebucht; vielleicht müssen wir dann auch singen, tanzen oder eine andere Belustigung auf uns nehmen – schließlich will man den Bediensteten in Nichts nachstehen, oder?

Unsere Neujahrsferien sind dieses Jahr kurz, über nur ein Wochenende, aber wir nutzen die Tage, um einen Kulturtrip nach Angkor Wat/Kambodscha zu machen. Hoffentlich wird es nicht ganz so überlaufen sein, wie wir gelesen haben. Kambodscha ist wohl längst kein Geheimtip mehr. Die wunderschönen und wohl noch sehr natürlich belassene Küste lassen wir aus Zeitgründen aus, hoffen aber, dass wir bei Gefallen ein neues Reiseziel in Petto haben.

Ostern ist allerdings schon mit einer weiteren Hawaii-Reise verplant. Es soll nach Maui gehen, wo wir Radfahren, aber auch Neues entdecken wollen.

Seid alle gegrüßt von uns….unser drittes Jahr in Beijing neigt sich bald dem Ende zu, aber werden noch ein bisschen bleiben, und somit wird auch noch der ein oder andere Blog hier auf Euch warten!

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Guilin – in der Retrospektive

Ehrlich gesagt wäre ich mit meiner 12. Klasse lieber nach Seoul/Korea im September geflogen, aber dieser Idee wurde die Fahrt nach Guilin vorgezogen – die Schüler hatten sich irgendwie darauf eingeschossen….. der Einfluss des vorherigen Abijahrgangs hatte sich durchgesetzt. Gott sei Dank hatte ich mich im Vorfeld schon davon verabschiedet, sauer zu sein und nahm die Entscheidung der Gruppe so hin…… Und im Nachhinein war die Region eine gute Wahl; jedenfalls könnte ich mir vorstellen noch mal die wirklich beeindruckenden Reisterassen von Yangshuo zu besuchen oder die Karstriesen am Li-Fluss, rund um Guilin (Hauptstadt der Region Guangxi) erneut zu entdecken – vielleicht bei ausgedehnteren Radtouren oder beim Klettern. Auch würde die Wanderung durch die Reisterassen sich deutlich vom „Seniorenprogramm“ der Fahrt unterscheiden,…..aber die Kids waren rundum glücklich, hatten diese als ihre beste Klassenreise bezeichnet, und wir hatten auch gemeinsam wirklich nette, erwachsene Momente und Gespräche. Sogar morgens um 6h konnte ich mich mit ein Paar Jungs der Klasse zum Fotoshooting verabreden – sonst kommt der ein oder andere morgens kaum aus dem Bett bzw. kaum pünktlich in die Schule, aber Fotosafari in den Reistrassen ist natürlich auch viel spannender als mein Englischunterricht. Zwar gab es keinen glasklaren Sonnenaufgang in den Reisterassen zu sehen, doch auch die mystische Atmosphäre der wabernden Wolken durch das Tal ließen sich einfangen.

Reisetrassen...

Reiseterassen…

…und Blick ins Tal leider ohne Sonnenschein

…und Blick ins Tal leider ohne Sonnenschein

Und wirklich niemand hat sich über den Dauerregen, der uns 4 von 5 Tagen verfolgte, beschwert. In triefnassen Klamotten wurde Fahrrad gefahren, und im Regencape dem Wetter getrotzt, während wir eine wirklich hinreißende Show auf dem Li-Fluss verfolgten. Mehrere hundert Personen standen insgesamt auf dieser Naturbühne, auf der hunderte Boote mit kostümierten Chinesen eine Liebesgeschichte nachstellen. Musik und Lichteffekte, die die umgebenden Berge anleuchteten, vervollständigten das Erlebnis.

Lichtshow auf dem Li-fluss

Lichtshow auf dem Li-Fluss

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Karstberge am Li-Fluss…..kurz vor dem nächsten Regenguss 🙁

 Beeindruckt waren wir dann aber alle besonders, als wir in den Reisterassen auf die Miao-Frauen trafen, die wegen ihrer Haarpracht berühmt sind. Das pechschwarze Haar dieser zierlichen Frauen wird nur ein Mal im Leben geschnitten – am Tag ihrer Hochzeit. Der abgetrennte Haarschopf, der dann ja auch schon etwa 20 Jahre alt ist, wird aufbewahrt und später, wenn das Haar nach Jahren wieder sehr lang geworden ist, in die nachgewachsenen Haare eingeflochten. Somit misst die Haarlänge dann manchmal mehr als die Körpergröße der Frauen. Es war nun sicherlich kein Zufall, dass wir diese 3 oder 4 Frauen antrafen, wissen diese doch um die Einnahmequelle durch Touristen. Also habe ich die Frauen bezahlt, damit sie uns ihre Haare zeigten, was dann auch mit viel Stolz und ganz ohne Starallüren geschah: Die Haare waren wie zu einem Turban um den Kopf gewickelt, reichten fast bis zum Boden und wurden anschließend wieder kunstvoll auf dem Kopf hochgesteckt.

die drei Frauen zeigen ihre Haarpracht

die drei Frauen zeigen ihre Haarpracht

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kunstvolles Flechten der Haare

 

 

 

 

 

 

 

die Frisur sitzt

die Frisur sitzt

Eine weitere Begegnung in den Reisterassen blieb mir im Kopf:  Eine alte Dame, etwa 85 Jahre alt, campiert seit Jahren in einem mitleiderregenden Zelt direkt neben einer der Ausblicksplattformen. Ein- zweimal täglich läuft sie runter ins Dorf, lässt sich dort von ihrer Tochter bekochen, um dann am Abend wieder in die Terassen aufzusteigen. Dort sei sie allein mit sich und der Welt. Sie ist dort am glücklichsten, sicher auch, weil sie dort den Göttern etwas näher ist. Sie sang alte Volkslieder für uns und erzählte, wie das Dorf von den neun schlafenden Drachen und drei Löwen bewacht wird, welche sich in Gestalt der verschiedenen Bergrücken zeigen, die das Dorf umschließen. Eine Mythe, die uns jedoch sehr einleuchtend die Verbindung zur Natur zeigte, mit der die Menschen hier aufwachsen. Ich glaube, dass es in der Bergwelt der Alpen ganz ähnliche Geschichten gibt…..nur, kennen wir Stadtmenschen diese natürlich nicht. Schade eigentlich!

alter Mann auf dem Weg in den Ort - morgens um 6h

alter Mann auf dem Weg in den Ort – morgens um 6h

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Pekingente…

ist sicherlich das bekannteste chinesische Gericht, dass mit der Stadt Peking verbunden wird.  Und bislang habe ich noch fast nichts von den kulinarischen Genüssen hier berichtet, oder?

Es gibt tatsächlich mindestens drei verschiedene Zubereitungsarten und etliche Geheimrezepte, die zu der süßlich glasierten und überaus knusprigen Haut des Vogels führen.

Wir waren zuletzt Pekingente essen, als Erk und Bettina uns im September/Oktober besuchten. Wir haben uns gleichzeitig mit unseren Kollegen Susanne und Jens verabredet, die  ebenfalls Besuch hatten. Somit waren wir über 10 Personen ….., denn es macht am meisten Spaß mit so vielen zum Essen zu gehen. Nur dann bekommt man einen Eindruck der vielfältigen Küche: Es wird nämlich längst nicht nur Ente bestellt, wenngleich das ein leckeres Gericht ist. Es gibt allerlei Gemüse, dass es bei uns nicht gibt…..etwa eine knallgrüne Bohnenart; die Schoten sind dreieckig und haben kleine (aber weiche) Zacken oder Zähne. Ungewöhnlich und lecker! Außerdem werden zumeist kalte Vorspeisen vorweg bestellt, die aus scharf angebratenen und abgewürtzten Erdnüssen oder zartrosa mit süß-saurem Essig abgeschmeckten Radieschen/Rettichsalat bestehen können. Danach gibt es weiterhin verschiedene Huhn- oder Fischgerichte –je nach Belieben der hungrigen Baggage. Die Suppe bildet den Abschluss des warmen Essens, welche zumeist ganz mild ist – oder auch fast geschmacklos sein kann. Sie soll laut chinesischer Lehre alle Geschmäcker und Zutaten neutralisieren.

Einen weitschweifigen Exkurs in das uns sehr fremde Verständnis von Wirkungsweise von Speisen im Körper kann ich mir mangels tiefgreifender Kenntnisse nicht erlauben, aber so viel sei gesagt: Das Zusammenstellen eines chinesischen Essens bedarf einer präzisen Auswahl der Speisen. Jedem Gemüse, Gewürz und Fleisch, jeder Zubereitungsart wird eine bestimmte Wirkung auf den Körper, dem „Chi“ zugeschrieben. So wird in kalte und warme Wirkungsweisen unterschieden, außerdem werden bestimmt Körperregionen oder Organe dem Essen zugeordnet. Somit ist, z.B. besonders darauf zu achten, dass die Milz „bedient“ wird, da dem Organ wichtige Prozesse zur Erhaltung der Gesundheit zugeschrieben werden. Chinesen gehen etwa davon aus, dass wenn jemand eine Glatze hat, sein „Chi“ nicht gut ist; vor allem arbeitet seine Milz nicht so, wie sollte – sonst würden ja die Haare nicht ausfallen. Tatsächlich gibt es kaum glatzköpfige Chinesen – im Gegenteil: Viele haben bis ins hohe Alter volles Haar, und zwar auch schwarzes. Nur wenige scheinen zu ergrauen.

Zurück zum Esse: Weiterhin sollte etwas Scharfes, etwas Saures, etwas Mildes und etwas Süßes auf dem Tische stehen.

Wir haben uns sicher weniger an diese (uns zum größten Teil unbekannten) Regeln gehalten, aber haben trotzdem ein leckeres Mahl für alle bestellt. Die Speisen werden zügig nacheinander serviert und auf einen großen Drehbaren Teller in der Mitte des runden Tisches gestellt. Jeder kann somit am Teller drehen (aber nur im Uhrzeigersinn!) und zugreifen – mit Stäbchen, versteht sich. Das haben  unsere Gäste, Erk und Bettina, auch ganz schnell gelernt, und man gewöhnt sich ohne große Aufregung daran.

Pekingente zu essen ist dann tatsächlich etwas Besonderes: Sie wird vom Koch auf einem Servierwagen an den Tisch gefahren und sehr dünn aufgeschnitten. Zusätzlich werden eine süßlich, dicke Sojasoße, dünn, in feinen Stäbchen geschnittene Gurke und Zwiebeln serviert, wie auch dünne, runde Oblaten, die etwas handtellergroß sind. Sie sind der Schlüssel zum Genuss, denn sie werden nun einzeln auf die eigene Hand gelegt (wer kann, macht auch das mit den Stäbchen – eine hohe Kunst, würde ich sagen!) und nach Belieben mit dem Entenfleisch, der Sojasoße, Gurken und Zwiebeln belegt. Danach werden die Seiten umgeschlagen, sodass ein mundgerechtes Päckchen entsteht, das genüsslich vertilgt werden darf.

Gern wird im Restaurant gezeigt, wie denn die kleinen Päckchen „gepackt“ werden. Passt doch kurz vor Weihnachten, oder nicht?

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Die Zutaten werden ausgewählt und auf die Oblate gelegt…

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…dann alles gut verpacken….

 

 

 

 

 

 

 

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   …und fertig ist das Peking-Enten-Päckchen!

 

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…und leckeren Fisch gibt es auch noch

 

 

 

 

 

 

Eine weitere ENTE, die für Aufregung in Peking gesorgt hat, war die weltberühmte und weitgereiste Rubber Duck.

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Dieses haushohe Gummitier stammt von einem holländischen Designer (Florentijn Hofmann)und hat schon Stationen wie Pittsburgh, Sydney, Osaka und Hongkong bereist, um die Öffentlichkeit zu verzücken. So auch in Peking: Wir haben die Ente im berühmten Sommerpalast angetroffen, der am 2.10. sowieso von vielen, vielen Chinesen zum Zweck eine Familienausflugs nach dem Nationalfeiertag besucht wird.

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Aber mit diesen Menschenmassen hatten wir dann doch nicht gerechnet…..es war voller als voll. Ein Fortbewegen war zwar noch möglich, aber man wurde eher geschoben, und es ist uns kaum verständlich gewesen, wie man sich mit Kind und Kegel in diese Massen begeben kann….. Vielleicht sollten wir uns nicht zu sehr wundern, denn wir waren ja auch mittendrin 🙂

Menschenmassen am Ufer

Menschenmassen am Ufer

Obwohl Stephan und ich bald genug von dem Trubel hatten, so war es doch ein lustiges Schauspiel die Rubber Duck gesehen zu haben; immerhin ist sie über 18m groß gewesen….also nicht nur ein kleines Quietscheentchen!

Hier unser Quartett am Himmelstempel und auf der Wangfujing, einer der bekanntesten Flaniermeilen Pekings!

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Am Himmelstempel, einer unserer liebsten Plätzen, wenn Besuch kommt!

 

P1050090Und da die Jungs sich ja schon ewig kennen….. so an die 35 Jahre….., wurde natürlich auch wieder Sport getrieben und Blödsinn gemacht !!!

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Die Mongolei

…..war tatsächlich ein Erlebnis – genauso, wie ich es mir erträumt hatte. Noch schöner, denn alle Erlebnisse konnten Krissy und ich sofort miteinander teilen: abends im Schlafsack ließen wir Revue passieren, wie mongolische Kinder uns ein traditionelles „Kniffel“spiel erklärten. Die Würfel waren aus echten Knochen der Knöchel kleiner Zicklein, welche zuvor von der Familie verspeist worden waren.

Knochen-Kniffel

Knochen-Kniffel

Oder wir konnten auch einfach herzhaft darüber lachen, wie sich unser Fahrer, Baska, ein wenig in mich verguckt hatte – wollte er mich doch am liebsten in sein Zelt zum Übernachten einladen. Natürlich zog ich es vor, meine Nachtruhe mit Krissy neben mir zu genießen, um am nächsten Morgen vom Pferdegetrappel der ersten Herden aufgeweckt zu werden. IMG_4971

Unsere Woche war so intensiv, dass wir im Nachhinein kaum glauben konnten, nur 7 Tage dort verbracht zu haben – so voll waren wir mit Eindrücken.

Doch unser gemeinsamer Urlaub begann in Peking, und dort stand natürlich auch so einiges auf dem Programm: Schulbesuch, Kennenlernen einiger Kollegen, Konfuziustempel, Einkaufstempel, chinesisches Essen (vom Trinkjoghurt am Kiosk bis zu den berühmten Jiaozi-Teigtaschen), ein Besuch der Verbotenen Stadt, die auch ich noch nicht erobert hatte und natürlich Kraxeln auf der Großen Mauer.

Von den schönsten Tagen in Peking wird ja leider nie in den Medien berichtet. Perfekter Tag auf der Mauer!

Von den schönsten Tagen in Peking wird ja leider nie in den Medien berichtet. Perfekter Tag auf der Mauer!

Außerdem wurde mein TCM-Arzt besucht, auf den ich inzwischen echt schwöre! Krissy hat alles sehr genossen und war ein anspruchsloser Gast – denn wirklich alles hat ihr Spaß gemacht, und somit machte es uns auch nichts aus, Geschäfte mehrmals aufzusuchen, wenn es doch beim ersten Mal einfach nicht gelang, ein Lieblingsstück auszuwählen.

Krönender Abschluss unserer „Einstiegstage“ in Peking war der Tag auf der Mauer, welcher außerdem noch mein Geburtstag war:  Wer wird schon auf der Mauer 25 ???? Einen herrlichen, heißen und klaren Sommertag haben wir fast einsam auf der Mauer verbracht – kaum bis gar keine Touristen versperrten uns die Sicht, sodass wir ausgedehnte Fotosessions machen konnten.

Den Abend ließen wir bei einem Gingerbeer auf den Dachterassen über der Stadt ausklingen, bevor wir die letzten Reisevorbereitungen trafen.

Vor der frühen Abfahrt der transmansurischen Eisenbahn (südl. Strecke der Transsib!) vom Hauptbahnhof war ich tatsächlich ein bisschen aufgeregt; sicherlich hatte ich mich mehrfach vergewissert, wann wir wo abfahren sollten, aber üblicher Weise regelt sonst Stephan unsere Reiseangelegenheiten. Doch dieses Mal hatte ich allein fast alles für Krissy und mich geplant. An die Zugtickets heran zu kommen war mächtig schwierig gewesen, sodass ich sie letztendlich über unser Schulsekretariat hatte kaufen lassen. Unsere gute Seele, Herr Bay, hatte sie reserviert und abgeholt – allein hätte ich das mal wieder nicht in China geschafft; zu kompliziert und undurchsichtig sind da die Ticketverkaufsstellen, von der es nur eine einzige gibt, in einem Hotel mitten in der Stadt, in einem kleinen Zimmerchen……

Alte DDR-Züge im Einsatz in Richtung Moskau

Alte DDR-Züge im Einsatz in Richtung Moskau

Aber wir kamen morgens überpünktlich am Bahnhof an, und wie sich herausstellte, waren auch andere Touristen mit der Bahn unterwegs. Kanadier, Italiener, Australier und Amerikaner waren mit an Bord. Und auch ein Lehrerkollegenpaar mit Sohn, dass nach 7 Jahren ganz langsam mit dem Zug von Peking Abschied nehmen wollte und als letzte Reise eben die Tour mit der Eisenbahn bis Moskau geplant hatte. Gemeinsam verbrachten wir fast 4 Stunden im kleinen Grenzort Erlian, wo die Eisenbahn auf ein schmaleres Gleisbett umgehoben wird. Wir warteten draußen und tranken Bier 🙂

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Die Fahrt war erholsam; wir konnten beide beim regelmäßigen Geklacker der Waggons auf den Schienen herrlich entspannen und schlafen – jeder von uns hatte eine Liegefläche für sich. Oder wir schauten aus dem Fenster und nahmen die Veränderungen der Landschaft wahr: vom schroffen Gebirge, das Peking umgibt, über trockenere, sanftere Hügel bis hin zu grünen Mongolei. Wir entdeckten die ersten Jurten schon weit vor Ulan Bator, welches sich natürlich großstädtisch mit Stau gab…. Wir wurden abgeholt und von unserem Fahrer, Baska, und der jungen Dolmetscherin, Baira, (21 Jahre!) begrüßt. Zunächst mussten Einkäufe getätigt werden, damit wir mitten im Nirgendwo auch versorgt sein würden. Baska wollte unbedingt Ziegenrippchen kaufen, und wie sich herausstellte, konnte und wollte er in der folgenden Woche nicht auf Fleisch verzichten und musste täglich sein mittägliches Hüngerchen mit kleinen Fleischfladen stillen, die man tatsächlich überall erstehen konnte. Für Krissy hingegen, die Vegetarierin ist, war das Hungerstillen nicht ganz so einfach, denn die Mongolen sind eben bekennende Fleischesser – Gemüse gibt es vor allem auf dem Land kaum, und in der Stadt ist es recht teuer. Trotzdem haben es Gastgeber geschafft, die traditionellen Teigtaschen für Krissy mit Kartoffelbrei und Kräutern zu füllen – welch eine Geste und auch Genuss.

Das Land imponierte uns mit seiner Weite; nur war nicht herauszufinden, wie sich unser Fahrer orientierte, denn Schilder gab es auf den Wiesen, die wir befuhren – denn es ging ständig querfeldein – natürlich nicht. Wir fuhren stets einsam über Feld und Flur, und wenn wir jemanden trafen, war es üblich anzuhalten und kurz zu plaudern, aber es kam auch vor, dass nach dem Weg gefragt wurde. Und so gab es laut unserer Dolmetscherin tatsächlich Auskünfte wie: „ An der nächsten Hügelkette vorbeifahren, links hinter dem Fluss abbiegen und am dritten Berg rechts halten…..“

keine Straßen, nur Pisten durch die Prärie

keine Straßen, nur Pisten durch die Prärie

Wir campierten zwei Mal im Zelt; schliefen unter einem reichen Sternenhimmel mitten im Nirgendwo und hörten dann morgens Pferdegetrappel am See, was uns bedeutete, dass es wohl Zeit zum Aufstehen war.

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Die anderen Nächte waren wir Gäste bei den Nomaden, die unser Fahrer kannte, und uns wurde eine Gästejurte zu günstigsten Preisen angeboten. So waren wir ganz nah dran am Leben, dass die Nomaden im Einklang mit der Natur führen:

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Eine Familie wohnt in einer Jurte – alle Familienmitglieder teilen sich die etwa 30 m2 große Unterkunft. Draußen grasen die Yaks, Ziegen, Schafe und Pferde, welche alle frei in der Prärie herum laufen. Sie werden zusammengetrieben oder kommen selbstständig zum Melken heim. Der Vater der Familie scheint häufiger am Tag zu hause vorbei zu schauen. Es gibt immer heißen Milchtee für ihn und Gäste auf dem Herd, der im Zentrum der Jurte steht. Die Frau melkt die Tiere und zieht die Kinder groß – häufig helfen auch Tanten und Cousinen dabei.  Das Leben spielt sich rund um die Jurte ab…..nur konnten wir uns kaum vorstellen, wie hart das Leben doch im Winter sein muss, wenn es draußen bis zu -40 Grad kalt wird.

Nun im Sommer romantisierten wir den Lebensstil, der aber tatsächlich von harter Arbeit geprägt ist – täglich wird das Überleben gesichert, indem die Milch und das Fleisch der Tiere zum Verzehr zubereitet wird. In der Jurte hängt Fleisch zum Trocknen (kein angenehmer Anblick für Krissy), Joghurt wird zubereitet und die Stutenmilch muss ständig gerührt werden.

Aber auch die Moderne erhält Einzug: Fast jede Jurte hat heute auch einen Fernseher, und draußen sorgt ein Solarpaneel für den Strom in der Jurte.  Es wird nicht  mehr nur auf Pferden geritten – häufig steht ein Motorrad oder Geländewagen vor der Tür.

Bei der Planung der Reise war uns letztendlich bewusst, dass wir das große Nadaam-Fest wahrscheinlich verpassen würden. Ringkämpfe, ein 25km Wettreiten und Bogenschießen werden an etwa 3 Tagen im Sommer (rund um den 10.-12. Juli) in traditioneller Kleidung zelebriert. Nur, dass es entgegen unserer Annahme nicht nur EIN Fest gibt, sondern jede Gemeinde ihr eigenes feiert – zeitversetzt zum großen Fest bei der Hauptstadt. So kamen wir an 4 Festplätzen vorbei und konnten das Treiben genießen:

Ringen

Ringen

Die Reiter machten sich für das Wettrennen bereit, wobei zu bedenken ist, dass Kinder ab 7 Jahren reiten dürfen.

kleiner Mann mit Deel kurz vor dem Rennen

kleiner Mann mit Deel kurz vor dem Rennen

trotz Tradition auch mit Handy!

trotz Tradition auch mit Handy!

 

 

 

 

 

 

Beeindruckend waren vor allem die farbenfrohen „Deels“ der Frauen und Männer, und das familiäre Miteinander, das trotz allem Kampfgeist herrschte.

 

 

 

 

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Wir hatten wirklich viele Eindrücke zu verarbeiten, hatten aber auch trotzdem viel Zeit und Möglichkeiten unsere Seele baumeln und durch die Weite des Landes Gedanken frei kreisen zu lassen.

Immer wieder wurden wir jedoch auch mit dem kulturellen Gedankengut konfrontiert, mit welchem die Nomaden sich seit Jahrhunderten ihre Welt erklären: Schamanismus ist immer noch weit verbreitet. Ausgewählte Männer oder Frauen wissen um Heil- und Pflanzenkunde, aber auch um Ratschläge und „altes Wissen“ für alle Lebenslagen. Ihnen wird auf (fast) jeder Bergkuppe ein Mahnmal mit aufgehäuften Steinen oder Knochen bereitet, welches bei Besuch 3 Mal umrundet werden sollte. Weitere Steine sollten von jedem Besucher hinzugeworfen oder blaue Tücher, die die Farbe des Himmels haben, abgelegt werden. Sie symbolisieren die besondere Nähe zu jedem Schamanen, der über allem steht.

Bergkuppe mit Opfergaben

Bergkuppe mit Opfergaben

Falls man aber unterwegs ist und keine Zeit hat, um die Bergkuppe und damit den Schamanen und Naturgeistern  gebührend zu huldigen, reicht es auch 3 Mal zu hupen ! ! !  🙂      Außerdem gibt es nur noch den (tibetischen) Buddhismus als Glaube, der aber im Alltag weniger Bedeutung hat – trotzdem gibt es in jeder Jurte einen kleinen Altar, wo aber auch die Fotos der eigenen Familie einen Platz finden.

Imponiert hat uns die Größe des mongolischen Reiches nachdem Chinggis Khan die Völker geeint hatte. Es verlief südwestlich bis Indien und umfasst das gesamte heutige China bis an die vietnamesische Grenze. Riesengroß! Das lernten wir in einem Museum in Karakorum, das lange als großes Handelszentrum galt – heute ist es ein Ort von wenigen Tausend Einwohnern.

Je länger ich schreibe, desto mehr Details erinnere ich, doch beeindruckender sind die Bilder, die ich im Kopf behalten werde, und die zeigen, wie die Familien leben. Bei herannahendem Gewitter wird die Hochebene (über 1600m) in ein schönes Licht getaucht, sodass wir mit den Pferden besonders nah wirken, und auch das Melken wird bei einsetzendem Regen einfach unterbrochen.

Bäuerin läauft durch den Hagel über die Prärie

Bäuerin läauft durch den Hagel über die Prärie

 

Ein weites Land – eine schöne Zeit!

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